Frau Doktor, Ihre Meinung???

so der Betreff eines Mails heute.

Darunter der Screenshot einer Homepage, in der für ein neues pflanzliches Produkt geworben wird, das den erhöhten Blutzucker senken soll. Diesmal aus der ayurvedischen Medizin. Die Pflanze Gymna (Foto aus http://www.apimanu.com) gymna_apimanu

 

Und es wird auf eine „Studie“ verweisen, bei der nicht angegeben wird, ob und wo sie in einem Fachjournal veröffentlicht wurde. In dieser Studie steht, dass 100 Patienten daran teilnahmen – aber nur 65 haben die Studie beendet! Alle andern haben vorzeitig abgebrochen. Das ist schon einmal KEIN gutes Ergebnis, wenn 1/3 der Patienten nicht einmal das Medikament bis zum Ende der Studie nimmt. Die verbliebenen Patienten hatten im Durchschnitt einen leichten Rückgang des HbA1c, von 8,8 auf 8,2%.

Was ich nun davon halte? Nun, eigentlich kann ich diese Frage nicht beantworten. Von ayurvedischer Medizin verstehe ich nichts, das ist ein ganz anderes Dank-Gebäude als unsere europäische Medizin.

Ich will keineswegs behaupten, dass es außerhalb der europäischen Medizin keine Medikamente oder Pflanzenpräparate gibt, die wirken. Das halte ich für durchaus möglich. Aber wir westlichen Mediziner möchten halt Beweise sehen, dass etwas wirkt. 

Und das genau so streng und so exakt wie bei westlichen Medikamenten: wir brauchen, um sicher zu sein, große Studien, bei denen eine große Anzahl Patienten das Medikament bekommt, mit einer ebenso großen Vergleichsgruppe, die nur ein Schein-Medikament bekommt. Dabei ist es üblich, dass weder der Patient noch der Arzt wissen, ob in den Kapseln, die ein bestimmter Patient bekommt, nun das Medikament drin ist oder nicht. Wenn dann von allen Patienten Labordaten vorliegen, dann kann man klar sagen “ wirkt “ oder „wirkt nicht“. In der auf der Homepage zitierten Studie steht auch, dass es eben keine  Kontrollgruppe gab – alle Patienten in der Studie haben das echte Medikament bekommen. Wir wissen sehr gut, dass alleine die Tatsache, dass man an einer Studie teilnimmt, mit all der erhöhten Aufmerksamkeit der Ärztn, den besonders engmaschigen Terminen, der ganzen „Extra-Betreuung “ die eine Studie mit sich bringt- dass alleine dadurch sich das HbA1c immer leicht verbessert, auch bei jenen Patienten, die nur das Schein-Medikament bekommen. Dieser „Studieneffekt“ ist bestens bekannt – genau deshalb muss ein neues Medikament ja auch in einer Studie zeigen, dass es deutlich besser wirkt als das Scheinmedikament.

Ich kann daher bei dieser Frage nur sagen “ ICH weiß es nicht“ – und meiner Patientin raten, es bei Interesse durchaus auszuprobieren, dabei aber kritisch zu sein.  Vielleicht vorerst eine HbA1c-Kontrolle im Labor machen, dann das Medikament 3 Monate lang nehmen, sonst nichts an der Diabetes-Therapie und an Lebenswandel ändern, und  wieder ein HbA1c machen – nachsehen, ob es gewirkt hat.

In den letzten 20 Jahren (so lang beschäftige ich mich schon mit Diabetes -HUCH!) gabs immer wieder einmal Pflanzenpräparate, denen eine günstige Wirkung auf den Blutzucker nachgesagt wurde. Fermentierte Heidelbeeren, die Charantea, die Bittergurke…So richtig hat sich keins durchsetzen könne, warum auch immer …

 

 

Über Susanne Pusarnig

Ich bin Ärztin für Allgemeinmedizin, also Hausärztin, im Süden von Wien. Mein Schwerpunkt ist Diabetes mellitus, ich begleite und berate Diabetiker nun schon jahrelang, und es istimmer wieder neu und spannend. Wofür ich mich sonst noch so interessiere, darüber möchte ich im Blog erzählen.
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